29 Apr 2017


Ausflug des Freundeskreises nach Görlitz

Stadtbesichtigung und Konzertbesuch im Meetingpoint Music Messiaen Zgorzelec

Olivier Messiaen gehört zu den wegweisendsten Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Schüler Paul Dukas‘ lehrte später selbst und schrieb zahlreiche Werke verschiedener Gattungen. Klavier- und kammermusikalische Werke, Chormusik und Konzerte stellen ebenso Schwerpunkte in seinem Schaffen dar wie die Orgelmusik. Von der Königin der Instrumente nahm Messiaen wesentliche Impulse auf, immer wieder flocht er aber auch den Vogelgesang in seine Kompositionen ein – Olivier Messiaen beschäftigte sich umfassend damit und war selbst in Fachkreisen ein angesehener Ornithologe. Zu seinen bekanntesten und beeindruckendsten Werken zählen sicherlich der zwischen 1956 und 58 »Catalogue d’oiseaux« (Katalog der Vogelstimmen), den Dresdner Konzertbesucher während der Musikfestspiele im vergangenen Jahr mit Pierre Laurent Aimard erleben konnten.

Eine Konzertreise führte den Freundeskreis der Staatskapelle Dresden am 27. April nach Görlitz / Zgorzelec, wo es ein anderes Werk Olivier Messiaens zu erleben gab: sein 1940 / 41 im Gefangenenlager Stalag VIII-A geschriebenes und dort uraufgeführtes »Quatuor pour la fin du temps«. Anläßlich des 25. Todestages des Komponisten gab es ein Sonderkonzert, doch zunächst führte der Weg die Reisegruppe ins Zentrum von Görlitz.

Hier steht die im 15. Jahrhundert und im spätgotischen Stil erbaute Kirche St. Peter und Paul. Zu den Prunkstücken in ihrem Inneren zählt die sogenannte »Sonnenorgel«. Das letzte Instrument des Orgelbaumeisters Eugenio Casparini (zwischen 1697 und 1703 erbaut) ist einmalig auf der Welt, denn zwölf der sechzehn »Sonnen« sind kein Zierschmuck – der Name rührt von Pfeifen her, die strahlenförmig zueinander angeordnet sind und wie Sonnen aussehen.

Im Rahmen einer Orgelführung erklang das Instrument mit Werken Johann Sebastian Bachs, Antonio Vivaldis, Johann Gottfried Walters und Wolfgang Amadeus Mozarts sowie – auf Wunsch und für die Gruppe des Freundeskreises – mit Olivier Messiaens »Himmelfahrt«, eines seiner bekanntesten Orgelwerke. Einen anderen gedanklichen »Brückenschlag« gab es in den zusätzlichen Registern der Orgel zu finden. Hier wurden – lange vor Messiaen – die Vogelstimmen von Nachtigall und Kuckuck mit der Musik vereinigt.

Die Brücken der geteilten Stadt wurden an diesem Tag mehrfach begangen und befahren. So dirigierte Reiseleiter Martin Deppe den Bus durch beide Stadtteile und bereicherte die Aussicht in Gründerzeitviertel und Altstadt umfassend mit Hintergrundwissen. In Görlitz vereinigen sich jüdische, sächsische, schlesische und preußische Kultur – Effi Briest könnte in einem der »Altberlinischen Viertel« gewohnt haben. Hier vereinigen sich aber auch die Konfessionen, erfuhr die Reisegruppe noch weiter. So fand z. B. die neue Synagoge neben der ungefähr zur gleichen Zeit erbauten katholischen Kirche ihren Platz.

Der Freundeskreis der Synagoge ermöglichte die Besichtigung der neuen Synagoge, die zwischen 1909 und 1911 von den Dresdner Architekten William Lossow und Hans Max Kühne gebaut wurde.  Mit ihrer kubischen Geschlossenheit und monumentalen Proportionen bietet sie ein beeindruckendes Beispiel für den modernen Synagogenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit der Wahl eines überkuppelten Zentralbaus nahm man Impulse der Reformbewegung im evangelischen Kirchenbau auf.

Danach ging es auf einen Stadtrundgang mit dem belesenen Stadtkenner und -forscher Frank Vater, der ebenso viele Anekdoten zu erzählen wußte wie er Renaissancedecken in Görlitz kennt. Obwohl – eine begrenzte Menge war da gar nicht auszumachen…

So gelangte die Gruppe bei fast frostigem Wetter gutgelaunt in den »Dreibeinigen Hund«, wo man sich vor dem Konzert noch stärken konnte. Und dann folgte, was überhaupt der Auslöser gewesen war, sich nach Görlitz zu begeben: Messiaens »Quatuor pour la fin du temps«, sein »Quartett auf das Ende der Zeit«, im Meetingpoint Music Messiaen.

Das Werk erklang anlässlich des Todestages des Komponisten in einem Sonderkonzert außerhalb der alljährlichen Wiederholung im Januar. Diesmal mit dabei: Myung-Whun Chung. Der Gastdirigent der Staatskapelle war mit Olivier Messiaen befreundet und hatte dessen Werke bereits mehrfach mit der Kapelle aufgeführt. So unter anderem die »Turangalîla«-Sinfonie im Rahmen des »Chung-Messiaen-Projektes«. Im Quartett spielte er diesmal mit Robert Oberaigner (Klarinette), Matthias Wollong (Violine) und Friedwart Christian Dittmann (Violoncello). Zuvor noch reflektierten Konzertdramaturg Tobias Niederschlag und Myung-Whun Chung über persönliche Erfahrungen mit Olivier Messiaen und dessen Musik.


Wolfram Quellmalz