20 Okt 2017


Herbst – Klang – Farbe

Wandeln zum Palais

Sächsische Staatskapelle »leuchtet« zum Gründungstag im Palais im Großen Garten – Der Freundeskreis lud anschließend zum Empfang

Natürlich ist das Dresdner Opernhaus eines der schönsten – nein – natürlich das schönste weit und breit. Dennoch gibt es, gerade für Konzerte, noch manch andere Orte, die nicht nur schön sind, sondern bezaubern können. Das Palais im Großen Garten gehört mit Sicherheit dazu, vereint es doch den barocken Prunkt mit dem Charme der Vergänglichkeit – der Innenraum des Festsaales harrt noch einer Restaurierung. Nur zu besonderen Anlässen wird das Palais aus dem Dornröschenschlaf erweckt, sonst schlummern hier unter anderem Figuren aus der Werkstatt Permoser – das Palais wurde einst sogar als Lapidarium genutzt.

Anders als beim Opernhaus, dem man sich meist über den Theaterplatz nähert, ist der Weg zum Palais eine kleine Zeitreise, muss man doch in die Mitte des Großen Gartens gelangen – eine schöne Einstimmung.

 

Musikalische Farben sind besser!

Einen besonderen Anlass, das Palais zu öffnen, gab es am 22. September, dem Gründungstag der Sächsischen Staatskapelle. An ihrem »Geburtstag« sucht das Orchester jeweils eine historische Spielstätte auf. Nach der Schützkapelle im Schloss und dem Opernhaus war nun das Palais der auch feierliche Ort. Und was gibt es zum Geburtstag? Torten und Champagner? Auch… Auf jeden Fall etwas besonderes. Ein Werk des Capell-Compositeurs bzw. der -Compositrice gehört glücklicherweise jeweils zum Programm des Festkonzertes, das nun zum dritten Mal stattfand. Auf Arvo Pärt, der diese Residenz in diesem Jahr innehat, waren in der Tat viele gespannt. Es gibt eine ganze Reihe bedeutender und bekannter zeitgenössischer Komponisten. Manche von ihnen werden von Kritik und Publikum gleichermaßen geschätzt, doch die Zahl derer, die wirklich beliebt sind und eine Magnetwirkung erreichen, ist gering. Arvo Pärt gehört jedoch zweifellos dazu, da hätte man auch ein größeres Werk als das knapp siebenminütige »Festina lente« spielen können, oder eben noch ein zweites. Denn das Konzertstück für Harfe und Streichorchester offenbarte einen großen Ausdrucksreichtum und stellte ein Soloinstrument in den Mittelpunkt, das ebenso beliebt wie (zumindest solistisch) selten zu hören ist. Die »Wunderharfe« mit Harfe (Astrid von Brück) gab es zu erleben, diesmal nicht mit den Tongemälden Richard Strauss‘ oder Richard Wagners, sondern in den filigranen Klangfarben des Esten Arvo Pärt.

Drei Kapellmitglieder, Matthias Wollong (Violine), Sebastian Herberg (Viola) und Norbert Anger (Violoncello) standen danach für eine Uraufführung im Mittelpunkt – Mozart. Doch hat derselbe (verständlicherweise) kein neues Werk geschrieben, auch wurde keines gefunden. Vielmehr hat der Komponist Jeffrey Ching aus bekannten Sätzen bzw. Fragmenten eine Sinfonia concertante für Violine, Viola, Violoncello und Orchester zusammengestellt. Das Allegro KV Anh. 104 gab dabei die Gattung vor, das Adagio (KV 261) und das auf einem Streichquartettsatz (KV Anh. 72) fügte er hinzu und ergänzte es. Musiziert war es zweifellos erstklassig, aber das Werk schien so künstlich wie das Farblicht hinter der Bühne – beides wurde dem Qualitätssiegel der Staatskapelle nicht gerecht. Vielleicht erklingt künftig ein zu unrecht vergessenes Werk an dieser Stelle, welches in der Geschichte des Orchesters eine besondere Rolle gespielt hat?

Auf künstliche Farbigkeit hätte man ohnehin verzichten können, denn für Dirigent Michail Jurowski, der kurzfristig für den erkrankten Peter Schreier eingesprungen war, war es ein leichtes, musikalische Farben aufleuchten zu lassen. So in Franz Schuberts fabelhafter Sinfonie h-Moll. In unentschiedener Dämmerstimmung beginnt sie, doch gaben ihr die Streicher einen prägnanten Anfangsimpuls. Mit dem Einsetzen der Bläser und dem Auftauchen des Themas wird das Werk dann klar, gibt sich zu erkennen, doch dominiert hier für gewöhnlich der (zugegebenermaßen betörende) Gesang der Oboe. Nur selten kann man so magische Momente wie im Palais im Großen Garten erleben, als sich aus dem Ton von Oboe und Klarinette ein neuer Klang formte, eine Synthese, wie sie später für Ravel typisch war – soviel zu den echten Farben.

 

Und zum Abschluss – Empfang des Freundeskreises

Und was war mit dem Champagner und den Torten? Die gab es auch, wobei die Geburtstagstorten zu so später Stunde gegen Salzbrezeln getauscht wurden (die auch besser zum Crémant, dem „Champagner“ aus Burgund, passten). Unterhalb des Festsaales befinden sich im Palais die Foyers, deren Restaurierung teilweise schon recht weit gediehen ist. Hier nun – und jetzt wirklich zwischen Permosers Figuren – lud der Freundeskreis nach dem Konzert ein, zu verweilen, zu plaudern und zu genießen.

An solch lauschigem Ort wurde die Einladung gerne und ausgiebig angenommen und aufgegriffen, und so blieb viel Zeit und Muße, über Konzerteindrücke zu fachsimpeln, den nächsten Ausflug des Freundeskreises zu besprechen oder – en passant – auf ganz andere Themen zu verfallen. Musik verbindet – so auch hier, denn Musikbegeisterte und -kenner mischten sich munter mit Liebhabern und Förderern. »Jeder nach seiner Fasson« gilt hier als verbindender toleranter Grundsatz – Grüppchenbildung ausgeschlossen!


Text: Wolfram Quellmalz

Bilder: Matthias Creutziger