2 Nov 2017


»Ich dachte nicht an Mord«

Musiker der Sächsischen Staatskapelle im zweiten Gesprächs-Konzert

Die Antwort auf die Frage des Moderators Tobias Teumer, wie oft man an Mord denke, wenn man sich nicht nur zu Hause sehe, sondern auch gemeinsam probe und Konzerte gebe, kam zu spontan, um vorbereitet gewesen zu sein. Anders – also ohne Mordgedanken – geht es wohl kaum, denn Barbara und Thomas Meining spielen nicht nur gemeinsam im Orchester, sie sind auch die Violinen des Dresdner Streichquartetts. Seit über 25 Jahren spielen sie gemeinsam mit Andreas Schreiber (Viola) und Martin Jungnickel (Violoncello) in dieser Formation, also muss es wohl einen harmonischen Kern geben, sonst wäre man doch längst auseinandergegangen, oder? Ein anderes Bonmot erzählt allerdings von der Sekretärin, die dem Manager Bescheid gibt, das ***-Quartett rufe auf den Leitungen 1 bis 4 an…

Immerhin, gab Thomas Meining zu, sensibilisiere die Arbeit mit den Gästen. Für die Aufführung von Johannes Brahms‘ Streichsextett B-Dur und Arnold Schönbergs Opus 4 »Verklärte Nacht« mussten die tieferen Stimmen des Quartetts ergänzt werden, wofür sich die Kapellkollegen Luke Turrell (Viola) und (erneut) Anke Heyn (Violoncello) bereitfanden. Diese wollte man, so Thomas Meining, nicht erschrecken und sei deshalb in den Proben rücksichtsvoller gewesen als sonst, wenn man »unter sich« sei. Musiker, zeigt das Beispiel, sind eben auch nur Menschen, Vertrauen senkt eben manchmal die Hemmschwelle…

Dennoch ist das Vertrauen wesentlich für die Zusammenarbeit, weshalb die Besetzung seit der Gründung unverändert besteht. Wechsel gab es allerdings auf Seiten der Instrumente. So spielt der Primarius seit zwei Jahren auf der Stradivari des Orchesters, dem einzigen so hochklassischen italienischen Instrument der Kapelle, wie er meinte, und dafür von Andreas Schreiber Widerspruch erhielt: dessen Viola stammt aus einer italienischen Werkstatt, und eine Bratsche sei – entgegen landläufiger Meinungen – schließlich auch ein Instrument.

Nach derlei (und noch manch anderer) Einführung hatte dann aber Johannes Brahms das Wort, und das ganz ernsthaft. Mit dem sonoren Raunen des ersten Cellos beginnt das Sextett, ein Singspiel, in das Violinen und Violen einstimmen. Die Violinen schienen die Aufforderung zu singen, welche von den Celli mit Seufzern beantwortet werden. Wie im Quartett oder im Orchester ergab sich im kleinen Kammerverbund der »goldene Ton«, eine Ausgewogenheit und Harmonie von satter Schönheit. Kraftvoll schritt der Sanguiniker Brahms aus, konnte graziöse Pirouetten drehen, aber immer ist er für einen feurigen Furor gut – das Scherzo steckte voll unbändiger Energie.

Auch Arnold Schönberg hat den Beginn in die Cellostimmen gelegt, und ebenso im süßen Schmelz, den das Werk verbreitet, mag man manchmal – zumindest in der Theorie – an Brahms gedacht haben. Ganz Hingebungsvoll zeigte sich Arnold Schönberg in dieser frühen Schaffensphase, aber dennoch bereits im eigenen Gewand eines spätromantischen Schlusspunktes.

Für das zweite Werk hatte Thomas Meining übrigens seine Dienstgeige gegen eine Violine von Ferdinando Gagliano getauscht, die ihm vorübergehend zur Verfügung stand, für eine echte Bewertung der Hörer, welches Instrument nun besser klinge, reichte das natürlich nicht wirklich. Für derlei Auswertungen und Fachsimpelei gab es aber noch Gelegenheit, denn im Anschluss an das Konzert in der Aula des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik fanden sich manche Besucher noch im Schillergarten zusammen.


Wolfram Quellmalz