10 Dez 2016


Musikalische Splitter: Keine Musik ohne innere Beteiligung

Hört man sich im Foyer der Staatsoper um oder unter den auf Stehplatzkarten Wartenden an der Abendkasse, wird klar: die Staatskapelle ist ein internationaler Magnet. Musikfreunde aus Japan und Russland trifft man hier ebenso häufig wie solche aus anderen traditionellen Musikzentren, Wien und München zum Beispiel. Dies lässt sich mit »Tradition« oder »Authentizität« erklären, auch Chefdirigent und Solisten tragen zur Anziehungskraft bei, doch letztlich wären Prädikate und Stars allein nicht ausschlaggebend. Denn die »Tradition« muss – auch ohne Mahlers Zitat zu bemühen – weitergegeben werden, damit sie lebt, der »goldene Klang« ist kein Produkt, das sich nach einer geheimnisvollen Rezeptur in der Retorte kreieren ließe.

Von diesem inneren Gehalt zeugte auf besondere Weise der Aufführungsabend im Oktober, zu dem Matthias Wollong, 1. Konzertmeister der Sächsischen Staatskapelle, als Solist Ludwig van Beethovens Opus 61 spielte, begleitet vom eigenen Orchester unter der Leitung von Lorenzo Viotti. Zwischen den beiden Klavierkonzerten G-Dur und Es-Dur schuf Beethoven im schöpferischen Jahr 1806 sein einziges Violinkonzert, das sinfonische und konzertante Elemente vereinigt – übrigens auch für einen Konzertmeister: Franz Clement vom Orchester des Theaters an der Wien. Fein und ausgeprägt lyrisch brachte Matthias Wollong das Konzert zum Vortrag, wobei ihm Kapellchef Christian Thielemann aus dem Proszenium über die Schulter schaute. Im Verständnis waren sich die Musiker einig, so erhob sich die Violinstimme immer wieder aus dem gemeinsamen Verbund, aber auch die Orchestersoli trugen zum goldenen Schimmern bei.

Bereits im September, am Vorabend des Dresdner Bachfestes, beging die Sächsische Staatskapelle ihren Gründungstag. Unter der Leitung Alessandro De Marchi kam die Orchestersuite BWV 1066 zur Aufführung, aber auch die »Meditation über den Bach-Choral ›Vor Deinen Thron tret‘ ich hiermit‹« von Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina. Diesem Werk liegt ein fast mathematisches Schema zugrunde, das auf den Buchstaben B-A-C-H aufbaut, Bezüge zwischen Themen und Instrumenten schafft, Gedanken zu reflektieren scheint. Mit Johann Gottlieb Naumanns Missa Nr. 18 d-Moll erinnerte die Staatskapelle nach der Pause an einen weiteren Kapellmeister der Vergangenheit. In den kommenden Jahren, so die Idee, soll das »Geburtstagskonzert« jeweils an historischen Aufführungsorten Dresdens stattfinden.


Autor: Wolfram Quellmalz