13 Apr 2018


Probenbesuche: »Tosca« und Orchesterkonzert

Zu den Dresdner Generalproben können die Freunde der Sächsischen Staatskapelle zwar (fast) immer kommen, ein Besuch derselben in Salzburg ist jedoch etwas Besonderes. Erst recht, wenn er zusätzlich noch eine Opernprobe einschließt.

»Tosca« stand am 24. März auf dem Programm der Salzburger Osterfestspiele. Die Staatskapelle, Christian Thielemann und die Sänger wurden einhellig gefeiert, die Inszenierung diskutiert. Drei Tage zuvor hatte der Freundeskreis Gelegenheit, das Ganze schon einmal in Augen- und Ohrenschein zu nehmen.

Geprobt wurde – wie üblich – eigentlich nicht mehr, vielmehr hatten das Inszenierungsteam (Michael Sturminger / Inszenierung, Renate Martin und Andreas Donhauser / Bühne und Kostüme) sowie Christian Thielemann die Produktion fertig einstudiert, so dass es einen Durchlauf ohne Unterbrechung geben konnte. Wenige Reihen vor dem Freundeskreis saß übrigens Jonas Kaufmann, der die Probe interessiert verfolgte, vielleicht seiner Münchner Bühnenpartnerin Anja Harteros wegen?

Auf jeden Fall begeisterten die Sänger und das Orchester zur Probe ebenso wie später auf der Premiere. Anja Harteros war als Tosca phantastisch und agierte ganz offensichtlich ohne »angezogene Handbremse«. Selbst liegend konnte sie mit feinem Timbre betören, vereinnahmen, emphatisch glühen. Die Gefühlspallette ihrer Tosca reichte von zartliebend bis zornig, auf jeden Fall war sie leidenschaftlich. Ludovic Tézier brillierte mit seinem Schauspiel als fieser Polizeichef Scarpia – umwerfend, so schuftig, so genial! Nicht minder beeindruckte Aleksandrs Antoņenko, auch wenn er für die Probe vielleicht nicht alles gab, sondern noch »mit Kalkül« sang.

Christian Thielemann entlockte dem Orchester seine ganze Farbenpracht, leuchtete die Szenen stimmungsvoll aus und »beschallte« das riesige Festspielhaus auch akustisch erstklassig. Übermäßig süßliches Auskosten liegt ihm nicht, schwelgen ja, aber mit dem richtigen Maß. Das sahen (hörten) viele der Freunde wie auch der Premierenbesucher und Kritiker so. Dennoch lässt sich über Geschmack streiten, denn gerade im Übermaß des Süffigen sehen manche die »Italianità«, andere halten es für Kitsch.

Weit mehr Diskussionen gab es um die Produktion bzw. einzelne Bilder der Inszenierung. Michael Sturminger hatte die Handlung ins jetzige Rom verlegt, was in beindruckend schönen Bühnenbildern, die in dem Palazzo Farnese nachgebildeten Räume und auf das Dach eines Palastes führten. Auch einen Mafioso-Bezug setzte Michael Sturminger nicht einfach billig um, sondern hatte Gesten und »Codes« der Clans detailliert einstudiert, wie in Italien lebende Freunde bestätigten – die Personenregie war also durchdacht. Dagegen konnte man sich bereits an der Eingangsszene, der Schießerei in einer Tiefgarage, »stoßen«. Christian Thielemann hatte vor Probenbeginn per Mikrophon vor den »Geräuscheffekten« gewarnt. Ging es wirklich darum, dass niemand erschreckte, oder war dies eine Form der Distancierung? Darüber waren sich die Probenbesucher durchaus nicht einig.

Angeregte Diskussionen gab es auch um das Ende: der Einsatz von Kindersoldaten, welche in einer Art Ausbildungsinternat (dem Palazzo) leben und die Exekution vornehmen müssen, bildete für die einen unsere Realität (bzw. einen Teil davon) ab, für die anderen war es ein unnötiger und überzogener Schockeffekt, der dem Werk nicht entspricht. Doch der »Clou« der Inszenierung (war es denn einer?): Tosca sticht Scarpia zunächst das Messer in die Brust (oder wohl mehr in den Bauch). Am Ende des zweiten Aktes, als sich der Vorhang schloss, bewegte sich Scarpia plötzlich wieder. Was eine Unbedachtheit Ludovic Téziers während der Probe gewesen sein könnte (zu früh bewegt, als der Vorhang noch nicht vollständig geschlossen war), erwies sich später als Absicht: im letzten Bild schleppte sich der zwar schwer verwundete, aber lebende Scarpia auf die Tachterrasse, Tosca und er schossen mit Pistolen aufeinander und töteten sich gegenseitig – uff!

Übrigens war »Tosca« diesmal nicht Teil einer Koproduktion und wird deshalb nicht nach Dresden übernommen. In der Semperoper gibt es im April die nicht mehr ganz frische Inszenierung von Johannes Schaaf aus dem Jahr 2009. Das Trio Thielemann, Antoņenko und Tézier bleibt nach Salzburg zusammen, Anja Harteros kommt leider nicht, dafür aber die fabelhafte Adrianne Pieczonka – das sollte man nicht verpassen!

Thielemann lässt die Beine baumeln

Einen Tag später dann fand eine Probe zu den Orchesterkonzerten statt. Und hier erlebten die Besucher den Chefdirigenten der Staatskapelle so locker und gelöst wie selten (er ließ tatsächlich einmal die Beine baumeln), was ihn nicht davon abhielt, zielgerichtet und akribisch zu arbeiten. Zunächst spielten Sol Gabetta und das Orchester erstmalig zusammen – Schumanns Cellokonzert in bestem Einverständnis. Danach ging es, das Werk vom Ende zum Anfang betrachtend, durch einzelne Abschnitte. Das klang schon sehr harmonisch und ließ den Romantiker Schumann atmen. Beste Stimmung also unter den Musikern – Sol Gabetta probte anschließend noch das wohl als Zugabe geplante »El cant dels occels« (Gesang der Vögel) von Pablo Casals mit der Cellogruppe.

Entgegen der ursprünglichen Vereinbarung, den Besuch der Freunde auf das Konzertstück zu beschränken, konnten wir nun sogar noch bleiben. Auf dem Programm stand jetzt Gustav Mahler 3. Sinfonie (noch ohne Chor und Solistin). Und es war noch (!) besser, als es schon in Dresden gewesen ist! Von wegen »Probe«…


Text: Dr. Wolfram Quellmalz
Bilder:M. Creutziger (Tosca/Sol Gabetta), Peter Sommer