4 Jan 2023


Interessanter Beethoven in Radebeul

Im Dresdner Raum wurde zum Jahreswechsel 2022/2023 von drei der hier tätigen Orchestern Beethovens neunte Symphonie aufgeführt.
Über die Serie der Silvesterkonzerte der Sächsischen Staatskapelle mit ihrer konservativen Interpretation von Beethovens 9. Symphonie ist ausgiebig berichtet worden.
Die zweifelsfrei interessante Interpretation der Silvesterkonzerte 2022 der Neunten hatte aber der Chefdirigent der Elblandphilharmonie Sachsen Ekkehard Klemm in der Lutherkirche Radebeul zur Aufführung gebracht.
Obwohl ich mich zunehmend auch den „Kellerkindern“ unserer Hochkultur widme, hatte mich meine Verbundenheit mit der Sächsischen Staatskapelle zu Silvester leider in die Semperoper getrieben. Aber ein Musikfreund hat mir berichtet, dass im Radebeuler Konzert dem Beethoven-Monumentalwerk eine zeitgenössige Komposition des 1943 in Leisnig geborenen Lothar Voigtländer unter dem Titel „Gaudete“, eine Kantate für Sopran, Bariton, Chor, Harfe und Orgel, thematisch vorangestellt worden war.
Voigtländer hinterfragt mit seiner Arbeit mittels eines verfremdeten Bibeltextes, wie „das sich freuen über Christi Geburt“ aus heutiger Sicht möglicherweise anfühlen würde; wie idyllisch sich die Beziehung Marias und Josephs im Stall von Bethlehem unter den Bedingungen von Armut, Fremdheit sowie Ausgrenzung angefühlt hätte und wie begrenzt harmonisch der Freudenjubel der Hirten über Jesu Geburt möglicherweise gewesen war.
Dem dissonanten Schluss der von Karl Bernewitz inszenierten Kantate war unmittelbar der Kopfsatz der Beethoven Komposition angeschlossen, der vor allem Gegensätze entwickelte und die Verbundenheit von Wiedersprüchen thematisierte. Das Scherzo war von Ekkehardt Klemm als locker pendelnde Struktur aufgebaut. Den langsamen Satz habe der Interpret filigran, betörend genutzt, um seine Hörer in falsches Schwelgen zu bringen.
Dafür behandelte Klemm den auch in Radebeul seit 60 Jahren traditionell am Silvesterabend aufgeführten Finalsatz auf die gewohnte Auslegung zurück. Mit „Menschen suchen das Vertraute, aber vor allem Antworten bei jenen, die mit Geistes- und Willenskraft Lösungen gefunden haben“ erteilte er seiner mit den ersten Sätzen vorgelegten Provokation eine beschwichtende Absage.
Gestaltet war das Konzert von den 75 Musikern der Elblandphilharmonie, den Solisten Anna Maria Schmidt, Ylva Gruen sowie Johannes Wollrabe vom Hausensemble, dem Gast-Tenor Laejun Sun vom Nationaltheater Weimar, dem Landesbühnenchor und der Singakademie Dresden.

Thomas Thielemann