Bereits die Gründungsurkunde der „Churfürstlichen Cantorey und Welsche Music und Instrumentalisten“, der Sächsischen Staatskapellen von 1548 verpflichtete die ältere Generation, ihr Wissen und Können an jüngere Musiker weiterzugeben. Der Kapellmeister der kurfürstlichen Kapelle der Zeit von 1617-1672) Heinrich Schütz (1585-1672) ließ den Hoforganisten mit Schülern üben. Der Dirigent der Dresdner Italienischen Oper Francesco Morlacci (1784-1672) plante bereits 1814 ein „Conservatorio o liceo musikale“ zu schaffen, ein Vorhaben, das 1856 zur Gründung eines Konservatoriums, der heutigen „Musikhochschule Carl-Maria-von-Weber“ führte. Der legendäre Chefdirigent und Operndirektor der Semperoper der Jahre von 1922 bis 1933 Fritz Busch (1890-1951) hat dann 1923 mit der „Orchesterschule der Sächsischen Staatskapelle“ das erste Institut dieser Spezies weltweit ins Leben gebracht. Ihr bekanntester Schüler dürfte Rudolf Kempe (1910-1976) gewesen sein.
Nachdem in den Nachkriegsjahren die Musikhochschule die Aufgaben weitergeführt hatte, wurde auf Initiative Giuseppe Sinopolis (1946-2001) die „Orchesterakademie der Sächsischen Staatskapelle“, die seit 2011 den Namen „Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle“ trägt, wieder als selbständige Gruppierung aufgestellt.
Am 21. Oktober 2023 hatte die Gesellschaft der Freunde der Sächsischen Staatskapelle gemeinsam mit der Sinopoli-Akademie in den nunmehr renovierten Konzertsaal des Lingnerschloß-Vereins e.V. in der Dresdner Villa Stockhausen zu einem Jubiläumskonzert mit Akademisten des laufenden Jahrgangs eingeladen. Den Besuchern wurde neben einem beeindruckenden Blick auf die Elbe und das Osterzgebirge ein Kammerkonzert mit einem außergewöhnlichen Programm sowie glänzenden musikalischen Leistungen geboten.
Nachdem die Fagottistin Hannah-Katharina Philipp mit der Flötistin Marta Cabanero und dem Oboisten Robert Schina Joseph Haydns (7232-1809) „Londoner Trio Nr. 1“ mit blitzsauberem Spiel wiedergegeben hatten, bot die Violinistin Franziska Stemmer mit dem Gastpianisten von der Musikhochschule Professor Andreas Hecker die „Fantasie brillante über Motive aus Faust“ des berühmten Teufelsgeigers Henryk Wieniawski (1835-1880). Fünf Zitate aus Charles Gounods Oper „Faust“ waren zu deutlich abgetrennten Variationen für die spielerischen Fertigkeiten des Komponisten und damals 30-jährigen Virtuosen verarbeitet worden, so dass die Geigerin ihr hervorragendes Können aktivieren musste; aber auch konnte. Die den Melodien der drei Protagonisten Faust, Méphistophélès und Marguerite sowie der den Nebenfiguren Valentin mit Sièbel entnommenen Motive, waren mit der einfühlsamen Klavierbegleitung zu einer wirklichen Besonderheit geworden. Dabei beschränkte sich das Klavier nicht nur auf eine harmonische Unterstützung, sondern trug aktiv zur Schaffung der ausdrucksstarken Charaktere bei. Adolf Busch (1891-1952) hatte bereits 1925 die Idee, ein Altsaxophon in ein Streichquartett mit seinem „Quintett für Alt-Saxophon und Streichquartett“ zu integrieren. Warum diese interessante Kombination bis in die 1940-er Jahre auf ihre Uraufführung warten musste, bleibt unklar. Aber zu seinen Lebzeiten war der Bruder des Dirigenten Fritz Busch als begnadeter Geiger besser bekannt, als der Spätromantiker-Komponist. Das an das Weihnachtslied „leise rieselt der Schnee“ anklingende Motiv führt durch die gesamte Komposition. Tänzerische Passagen wurden von marschartigen Phasen unterbrochen. Häufige Taktwechsel bestimmten die dichte Struktur der Motive und Themen. Das Saxophon der Akademistin Sabine Egea Sobral war nicht solistisch behandelt, sondern blieb als gedämpfte Stimme im Streichersatz integriert. Erst am Beginn des Finalsatzes konnte das Blasinstrument mit einer sehnsüchtigen Kantilene aufwarten um in der Folge die Gestaltung an die Violinisten Taras Zdaniuk und Franziska Stemmer, dem Bratschisten Christopher Sandberg sowie dem Cellisten Sebastian Mirow wieder zu übergeben.
Der norwegische Geiger, Dirigent Johan Halvorsen (1864-1935) ist der am wenigsten bekannte der bekanntesten Komponisten seines Landes. Die musikalische Ausbildung hatte der Freund Edvard Griegs (1843-1907) vor allem am Leipziger Konservatorium erhalten. Die „Passacaglia nach Georg Friedrich Händel“ aus dem Jahre 1897 gehört zu jenen seiner 170 nachgelassenen Kompositionen, die noch aufgeführt werden. Der Violinist Taras Zdaniuk und der Cellist Dawoon Kim nutzten die virtuose Instrumentierung des Werkes, um ein Thema Händels aus dessen Suite Nr.7 in G-Moll in einer völlig neuen Weise zu präsentieren.
Den Abschluss der Werkschau der kommenden Mitglieder der Staatskapelle bildete Peter Tschaikowskis (1840-1893) d-Moll-Streichsextett op. 70 „Souvenir de Florence“. Tschaikowski entwarf das Sextett 1890 parallel zur Oper „Pique Dame“ während eines unbeschwerten Aufenthaltes in Florenz. Bis zur ersten Aufführung musste das Werk aber noch einige Überarbeitungen überstehen. Die heitere lebensbejahende Komposition wurde von den Geigern Charlotte Thiele und Taras Zdaniuk, den Bratschern Florian Richter und Christopher Sandberg, sowie den Cellisten Dawoon Kim und Sebastian Mirow mit jugendlicher Frische und Unbeschwertheit gespielt.

Thomas Thielemann