Die Orchesterakademie der Sächsischen Staatskapelle hatte mit Unterstüt -zungder Gesellschaft der Freunde der Staatskapelle zu einem Kammerkonzert in die Spielstätte Semper Zwei eingeladen. Mit diesem Konzert galt es einmal mehr, die Leistungsentwicklung der jungen Musiker der Akademie einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen. Die Akademien der führenden Orchester sind heute zu einer wichtigen Säule der Ausbildung hochqualifizierten Nachwuchses geworden. Dabei steht nicht nur das spieltechnische Leistungsvermögen im Vordergrund, sondern auch die Entwicklung der Fähigkeit, sich in die Beson –derheit des Orchesters einzuhören, einzufühlen und den orchestertypischen Klang in Konzerten und Aufführungen mitzugestalten. So ist es möglich, dass die Besten der Sinopoli – Akademie ein Engagement für die Staatskapelle erhalten und den Wunderklang, den Geist und die Virtuosität des Orchesters mit in die Zukunft tragen.
Kammerkonzerte sind Gradmesser der Qualität jedes mitwirkenden Musikers.
So konnte man sehr gespannt sein auf das Konzert am Sonntagvormittag, zumal sich das Programm durch eine interessante Vielfalt auszeichnete.
Neben Werken von Schubert, Ravel und Françaix standen Kompositionen von
Pasculli, dem italienischen „Paganini der Oboe“ und Castérède auf dem Pro –
gramm, die hierzulande nur selten oder gar nicht aufgeführt werden.
Die „Omaggio a Bellini“ für Englischhorn und Harfe von Antonio Pasculli (1842 – 1924) eröffnete das Konzert. Pasculli war ein hervorragender Oboist und Komponist, der im ausgehenden 19. Jahrhundert besonders in Italien sehr populär war. Damals war es üblich, Themen aus bekannten Opern z. B. von Bellini, Donizetti, Rossini und Verdi für eigene Werke bearbeiten. So nutzte auch Pasculli die halsbrecherischen Koloraturen und die herrlichen Belcanto –
Passagen der Bellini – Opern „Il Pirata“ und „La Sonambula” für seine fantasievolle, hochvirtuose „Omaggio a Bellini“. Robert Schina (Englischhorn) und Margot Gélie (Harfe) sorgten für eine werkgerechte und klangvolle Inter -pretation.
Es folgte ein „Concertino für Trompete und Posaune” von Jaques Castérède (1926 – 2014). Castérède war Schüler von Tony Aubin und Olivier Messiaen. Er gewann u.a. den begehrten Prix de Rome. Neben dem Komponieren widmete er sich vordergründig dem Unterrichten am Conservatoire de Paris. Interessant ist seine Einladung zu einer Gast – Lehrtätigkeit nach Peking 1988 und1998. Er wurde 1992 Präsident der französischen Société Nationale de Musique. Auch als Klaviervirtuose war er international unterwegs. Er komponierte Werke unter -schiedlichster Genres, u. a. 1986 eine Komposition zum 100. Geburtstag der New Yorker Freiheitsstatue. In seiner Kompositionsweise machte er sich frei von allen bestehenden Systemen, wie z. B. der Zwölftontechnik. Für ihn sind eine durchgängige thematische Grundlinie, Rhythmus (auch mit Jazzeinfluss) und eine sehr reiche Harmonisierung typisch.
Aljoscha Schlesier (Trompete), Tomer Schwartz (Posaune) und als Gast
Sebastian Jaenichen (Klavier) boten dieses Werk sehr lebendig, in gebotener Leichtigkeit und in hervorragender klanglicher, dynamisch und intonatorischer Übereinstimmung dar.
Das „Bläserquintett Nr. 1“ von 1948, eine der zahlreichen Kompositionen von Jean Françaix (1912 – 1997) für Bläser, stand als Nächstes auf dem Programm. Die Werke dieses französischen Komponisten zeichnen sich durch Witz, rhythmische Raffinesse und durchsichtige Instrumentierung aus. Neben verschiedenen Instrumentalkonzerten, Vokalwerken, Opern und Kammer – musiken schrieb er die Musik zu zwölf Filmen. Auch als Klaviervirtuose war er sehr gefragt.
Marta Cabañero Filgueira(Flöte), Robert Schina (Oboe), Mátyás Ábrahám (Klarinette), Hannah-Katharina Philipp (Fagott) und Damien Muller (Horn)
brachten das Werk nach einem etwas unsicheren Anfang sehr engagiert und virtuos zu Gehör. Hervorheben möchte ich dabei Marta Cabañero Filgueira
(Flöte) und Hannah-Katharina Philipp (Fagott).
Nach der Konzertpause hörten wir „Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel (1875 – 1937). Ravel schrieb nur wenige Kammermusikwerke, darunter 1914 das Klaviertrio a-moll, eine Reihe wunderbarer Klavierstücke. Auch „Le Tombeau de Couperin“ ist ursprünglich eine Komposition für Klavier, 1917 fertiggestellt, deren sechs Sätze jeweils einem seiner im 1. Weltkrieg gefallenen Kriegskameraden gewidmet sind, jetzt zu hören in einer Bearbeitung
von Mason Jones für Bläserquintett nach der von Ravel erstellten viersätzigen Orchesterfassung des Werkes. Ravel war neben Claude Debussy Hauptvertreter des Impressionismus in der Musik. Dennoch unterscheidet sich Ravel, stark beeinflusst u.a. von Eric Satie, deutlich von Debussy. Nicht impressionistisch verschwimmend, sondern scharf zeichnend ist sein Kompositionsstil, überwältigend im Farbenreichtum seiner Orchesterwerke, klar auch in Distanz zum Stil Richard Wagners.
Das Bläserquintett Marta Cabañero Filgueira, Robert Schina, Mátyás Ábrahám, Hannah-Katharina Philipp und Damien Muller gelang eine stimmungsvolle, auch klanglich gut ausbalancierte Darbietung.
Den Abschluss des Konzertes bildete das „Streichquintett C – Dur op. post.163, D 956“ von Franz Schubert (1797 – 1828). Zwei Monate vor seinem Tode komponiert, wurde dieses Werk zu einem Hauptwerk der gesamten Kammermusikliteratur. Schubert selbst hat eine Aufführung seiner Komposition nicht mehr erlebt. Erst gut 20 Jahre später interessierte sich ein Verlag dafür, und noch lange musste das Werk mit seiner Fülle an Emotionen und seiner Spieldauer von ca. 50 Minuten auf die gebührende Anerkennung warten. Bis
heute ist eine Aufführung diese großartigen Werkes eine echte Herausforde –rung. Ähnlich wie die drei letzten Klaviersonaten oder die „Große“ C-Dur Sinfonie ist das Spätwerk Schuberts aber kein „Schwanengesang“, sondern ein Schritt in die Zukunft, die Auseinandersetzung mit Beethoven.
Charlotte Thiele (Violine), Taras Zdaniuk (Violine), Anna Helgert (Viola),
Sebastian Mirow (Violoncello) und als Gast Matthias Wilde (Violoncello)
ließen dieses Werk zum Höhepunkt des Konzertvormittags werden. In sich ruhend, dynamisch und in den Farben fein schattiert, technisch grandios,
herausragend Charlotte Thiele, ließ die Interpretation keine Wünsche offen. Zu Recht bekamen die Musiker begeisterten Applaus. Bravi!
Bernd Runge
Neueste Kommentare