Nach dem erfolgreichen Auftritt der Akademie im Februar waren die Besucher
am Sonntag, dem 12. Mai 2024 ins Lingnerschloss eingeladen.
In Dresden lässt sich kaum ein schöneres Zusammenspiel denken, das Musi –
zieren von jungen hochbegabten, engagierten Musikerinnen und Musikern und diesem Dresdner architektonischen Juwel, diesem Schloss oben am Elbhang in Dresden – Loschwitz, mit einer herrlichen Aussicht, eingebettet in eine wunder -bare Natur, offen für jedermann.
Auch dieses Konzert der Orchesterakademie weckte das Interesse der zahlreich erschienenen Gäste durch eine interessante Vielseitigkeit der Programmgestal -tung. Neben Mozart und Rossini standen Werke von Nelhýbel, Perruchon und Cras auf dem Programm, Komponisten die auch Musikkennern kaum geläufig sein dürften.
Eröffnet wurde die Matinee mit dem Oboenquartett F – Dur KV 370 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791).
Mozarts einziges kammermusikalisches Werk für Oboe entstand in München im Winter 1780 / 81 für den ihm freundschaftlich verbundenen Friedrich Ramm, den Solo – Oboisten der weithin berühmten Mannheimer Hofkapelle. Der Mannheimer Hof musste 1778, samt Kapelle, infolge der bayerisch – pfälzi -schen Thronfolge nach München umziehen. Mozart hielt sich in München auf und arbeitete im Auftrag des Kurfürsten an seiner Oper „Idomeneo“. Quasi nebenbei schrieb er das Oboenquartett für seinen Freund Ramm. Die Absicht war, mit diesemWerk sowohl die hohe Virtuosität und die klangliche Schönheit des Spiels seines Freundes als auch die instrumententechnischen Verbesserun -gen jener Zeit zu zeigen. Als musikalischen Spaß schrieb Mozart in den vir -tuosen dritten Satz einen kurzen Abschnitt, Viervierteltakt des Soloinstruments gegen Sechsachteltakt der Streicher, wenn man will, ein Vorgriff auf die in der Gegenwartsmusik häufig angewendete Polyrhythmik.
Estelle Akta – Oboe, Franziska Stemmer – Violine, Zheng Yang – Viola, Andrei Mikriukov – Violoncello sorgten mit ihrer Interpretation für einen
gelungenen Auftakt, eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen dynamisch,
in Artikulation und Zusammenspiel fein abgestimmten Streichern und einer dem virtuosen Anspruch gerecht werdenden Estelle Akta.
Zweites Werk des Konzertes: Duetto per Violoncello e Contrabasso von
Gioachino Rossini (1792 – 1868).
Rossini, den meisten nur bekannt als Komponist von seinen Bühnenwerken,
allerdings oft nur von deren Ouvertüren, schrieb auch eine Vielzahl von Kam –
mermusiken. Dazu gehören Streichquartette, sechs Bläserquartette und die
Streichersonaten. Diese komponierte er bereits im Alter von zwölf Jahren.
1824, anlässlich einer Reise nach London, dort winkten fürstliche Honorare
für die Teilnahme an Soireen, Unterricht und Kompositionen, schrieb er das
Duo für Violoncello und Kontrabass für den Bankier und Amateurcellisten
David Salomons. Dessen größter Wunsch war es, einmal mit dem zu seiner
Zeit berühmtesten Kontrabassisten Domenico Dragonetti, auch „Il Drago“
oder „Paganini des Kontrabasses“ genannt, zu spielen. Es entstand ein Werk,
das beiden Spielern gnadenlos alles abverlangt. Violoncello und Kontrabass
werden zu gleichwertigen Partnern, lebendig virtuos und gesanglich. Oft
schimmert der Opernkomponist Rossini hervor.
Sebastian Mirow – Violoncello und Ión López Leal – Kontrabass waren
hervorragend aufeinander eingestimmt. Sie gestalteten das Werk mit großer
Spielfreude und Bravour.
Es folgte das Trio for Brass von Václav Nelhýbel (1919 – 1996).
Nelhýbel wurde in der Tschechoslowakei geboren. Er studierte in Prag Kom –
position, Dirigieren und Musikwissenschaft, ging 1942 in die Schweiz und
setzte in Fribourg seine Studien fort. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er
als Komponist und Dirigent beim Schweizer Radio und unterrichtete in Fribourg.
Von 1950 bis1957, dem Jahr seiner Übersiedlung in die USA war er Musik -direktor bei Radio Free Europe in München. In den USA, er bekam 1962 die
US – amerikanische Staatsbürgerschaft, lehrte er an verschiedenen Schulen. Vier Universitäten verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Bis zu seinem Tod war er „Composer in Residence“ an der Universität Scranton. Nelhýbel veröffent -lichte rund 400 Werke, viele davon für Bläser in unterschiedlichsten Beset -zungen, oft für Studienzwecke gedacht, drei Ballette, drei Opern und eine Symphonie.
Das Trio for Brass, 1965 komponiert, ist eine faszinierende Komposition in
drei Sätzen. Einem lebhaften ersten Satz mit einem markanten Thema folgen ein langsamer melodischer zweiter Satz und ein lebhaft virtuoser Abschluss. Die
Musik beweist die immense Kenntnis der spieltechnischen Möglichkeiten der
Blechblasinstrumente.
Aljoscha Schlesier – Trompete, Daniel Wassermann – Horn und Theodor
Hentges – Posaune wurden den Anforderungen des Werks voll gerecht und sorgten für seine differenzierte klangvolle Darstellung.
Die zweite Konzerthälfte begann mit Cinq Danses Dogoriennes pour
5 Timbales, 3 Temple-blocks et Violoncelle von Ếtienne Perruchon (1958 –
2019).
Perruchon war ein sehr vielseitiger Komponist, der neben mehrfach ausge –zeichneten Film – und Schauspielmusiken, auch Chansons und symphonische
Musik schrieb, Die imaginäre Sprache einer fiktiven Ethnie wurde zu einem wichtigen Thema seines Schaffens. Zu dieser „Dogora“ – Gruppe gehören auch die im Jahr 2000 veröffentlichten Tänze. Die instrumentale Kombination von
5 Pauken, 3 Temple-blocks und Violoncello verleiht dem Stück eine einzigar –
tige Klanglichkeit. Das Werk, gewidmet Adrien Perruchon, damals Solo – Pau –
kist des Orchestre Philharmonique de Radio France, heute Chefdirigent des Orchestre Lamoureux, ist für die Interpreten eine aufregende Herausforderung
bezüglich rhythmischer und klanglicher Vielfalt.
Huon Bourne Blue an den Pauken und die Cellistin Dawoon Kim, die schon
ein Kapell – Probejahr absolviert, boten eine perfekte, hervorragend korres –
pondierende, alle Möglichkeiten des Stückes ausreizende Leistung. Ein Höhe -punkt des musikalischen Vormittags!
Als Konzertausklang stand das Quintette pour Harpe, Flûte, Violon, Alto et Violoncelle von Jean Cras (1879 – 1932) auf dem Programm.
Der Vater, Chefarzt der französischen Marine und die Mutter, beide leiden –
schaftliche Musikliebhaber, weckten früh in Jean Cras das Interesse für Musik,
bereits im Alter von dreizehn Jahren trug er seine erste Komposition vor. Mit
dem siebzehnten Lebensjahr begann der zweite Karriereweg, er ging auf die Marineschule, erfand einen allgemein für die Navigation genutzten Winkel –
messer, war Kommandeur eines Torpedobootes im Ersten Weltkrieg und been –
dete seine Laufbahn als Konteradmiral. All das hinderte Cras nicht, Musik und
Komponieren weiterhin intensiv zu betreiben. Er lernte den Komponisten Henri
Duparc kennen, der zu einem freundschaftlichen Helfer und Berater wurde. Cras
komponierte eine Oper, Chor – und Orchesterwerke. Besonders die Kammer –
musik bekam ein besonderes Gewicht. Das Quintett, 1928 veröffentlicht, ist ein
charmantes, gefälliges Werk, das eine sensible Klanglichkeit mit ungewöhn –
licher Instrumentation verbindet. Dabei sind Einflüsse von Debussy und Franck
unüberhörbar.
Margot Gélie – Harfe, Marta Cabañero Filguera – Flöte, Michail Kanatidis –
Violine, Anna Helgert – Viola und Sebastian Mirow – Violoncello sorgten für
den stimmungsvollen, sorgfältig differenzierten Ausklang dieser Matinee.
Großer, herzlicher Applaus für die Mitglieder der Akademie und Dank für diesen anregenden Sonntagvormittag!
Bernd Runge
Credits:
Kammerkonzert der Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle Dresden,
12. Mai 2024 in der Villa Stockhausen Dresden des Vereins Lingnerschloss e.V.
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